Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schockierte Richard Strauss das Theaterpublikum mit seinen beiden Einaktern Salome und Elektra, die in nie dagewesenem Maße gesteigerte Emotionen mit wilden, ohrenbetäubenden Klangentladungen zum Ausdruck brachten und dabei bis an die Grenzen des Hörbaren gingen. Doch der Komponist beschloss bald, seinen Stil zu ändern und einen versöhnlichen Schritt auf das Opernpublikum zuzugehen. Zunächst entstand Der Rosenkavalier, ein bis heute außerordentlich beliebtes Werk, in dem jedoch das für Strauss typische, ungestüme Treiben im Orchester wie auf der Bühne noch deutlich dominiert. Danach folgte mit Ariadne auf Naxos ein weitaus intimeres und ruhigeres Werk.
Die ursprüngliche Fassung von 1912 war als Nachspiel zu Hugo von Hofmannsthals Bearbeitung von Molières Komödie Der Bürger als Edelmann gedacht. 1916 überarbeitete Strauss das Werk jedoch zu einer eigenständigen Oper, in der es auch heute zumeist aufgeführt wird. Auch wenn es der Titel nicht verrät, so ist das zentrale Thema von Ariadne auf Naxos doch das Spannungsverhältnis und die gegenseitige Achtung zwischen „hoher“ und „niederer“ Kunst. Darüber hinaus entlarvt Strauss die zeitlose Grobheit derjenigen, die – bemüht, ihren dürftigen kulturellen Status aufzuwerten – sich plötzlich zu „Kunstmäzenen“ erklären.
Die Zuschauer von Strauss’ Oper haben die Wahl – wie beim Umschalten der Fernsehkanäle sehen sie mal eine ernste Oper über Ariadne, die von ihrem Geliebten verlassen wurde, und dann wieder eine derbe Farce über die ausgelassene Zerbinetta. So hatte es der wohlhabende Gastgeber der bizarren Aufführung beschlossen, die auf keinen Fall auch nur eine Millisekunde länger dauern durfte als vorgesehen – schließlich sollten auf die Kunst Feuerwerk und Abendessen folgen …